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    Gedenkort für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz. 2015/2016

    Meinen Entwurf zu dem Gedenkort für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz versuchte ich abzuheben gegen die figürliche Monumentalität der beiden vorhanden Skulpturen und die Stereometrie des 76er-Denkmals, des »Kriegsklotzes« von Richard Kuöhl (1935), im Besonderen durch die Wahl der Sprache meiner Skulptur. Erstens im Sinne der realen Wahl der Sprache in Wort und Plastik. Zweitens sollte die Arbeit selbst eine offen sprechende Methodik haben.

    Von der Situation und Aufgabenstellung ausgehend, wählte ich Helmut Heißenbüttels (1921–96) Gedicht »Deutschland 1944« von 1961. Diese Toncollage über das Kriegsjahr 1944 enthält ausschließlich Fragmente der Sprache der Täter und Beteiligten. Durch das Prinzip Collage wird die Begrifflichkeit verdichtet: Worte wie »süß«, »brünstig«, »abstoßen«, »austreiben«, »Todesschweiß« … wiederholen sich in ihrer unangenehmen, hämmernden Intention.
    In den Bronzegittern ist der Anfang des Gedichtes dargestellt und von dem Besucher entziffernd zu erfassen.
    Heißenbüttels Gedicht, so Franz Mon (* 1926), »… ist eine Klage gegen die Sprache als Mittäter.« Ohne die Möglichkeit der Rede und ihre Übertragung hätte die NS-Bewegung nicht eine teils noch kritische Zuhörerschaft zu einer homogenen Masse getrieben.
    Die Propagandamaßnahme der Gewaltherrschaft konnte nur über die Sprache und ihre Übertragung funktionierten.

    Prinzip der Collage war nicht nur ein Kriterium für die Textauswahl, sondern auch für die plastische Form.
    Franz Mon schreibt in seinem Text »eine Art Erinnerung hatte sich erhalten«: »… in der Struktur von Collage liegt es, dass jedes Teil isoliert betrachtet werden kann.« Das Prinzip Collage bezeichnet ein Vorgehen, das seit dem Dadaismus in der Kunst ein Darstellungsmittel repräsentiert.
    Erst Versuche der Kombination loser Kombination von Einzeleilen führte zu einer gebäudeähnlichen Einheit. Einzelne Teile lehnen aneinander, durchdringen sich und sind als Elemente zu erkennen. Damit wird eine Transparenz und Offenheit bezeichnet, wie es im weitesten Sinne auch in einem barocken Belvedere zu sehen ist. Die barocke Raumdivision ist auf eine freie Bewegung, also auf ein Flanieren hin angelegt. Im NS wird diese durch Marschieren ersetzt.
    Die Stereometrie, die nicht nur in der nationalsozialistischen Skulptur, sondern in vielen rationalistischen Architektursprachen anzutreffen ist steht im Gegensatz zur offenen Gestalt. Der Zucht und Disziplinierungsauftrag, den jede stereometrische Architektur/Skulptur in sich trägt, will den Menschen zu Zurichtungsobjekten herabsetzen. Die Soldaten des 76er-Denkmals von Kuöhl sind nicht als einzelne Individuen dargestellt, sondern im Körper gebannte »Zurichtungsobjekte«.
    Im Gegensatz dazu möchte meine Arbeit das ästhetische Subjekt zeigen. Das heißt, dass der einzelne nicht mehr im Bau gebannt ist, von einer Macht deformiert wird, sondern sich frei heraustretend bewegen kann.
    Die Desertion, und das ist ja eine Widerstandsform, ist das Wissen jedes Einzelnen, jeden Moment heraustreten zu können und zu handeln. Trotz gefährlichster Situation zeigt es die Distanz jedes Deserteurs zum totalitären System und innere Freiheit der Entscheidung im Moment.
    Dieser Moment ist das wesentliche, was ich in meiner Arbeit vorstellen möchte.

    Der Gedanken an die Zeit des Widerstandes im NS richtet sich auch an die Menschen, die sich Gewalt und Gewaltherrschaften auch heute widersetzen.

    Gedenkort für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz 2015/16

    10 × 10 × 10m Seitenlängen, 3,58 m in der Höhe.

    Beton mit Schrift, Stahl, Bronze, Naturstein, 6-Kanal-Toninstallation (Text Heißenbüttel vom Autor gesprochen und Kurzbiografien der 227 Opfer)

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